Aus einem Schreiben des
Interkonfessionellen Männervereins zur Bekämpfung der
öffentlichen Unsittlichkeit aus dem Jahre 1911: Das
Benehmen des Publikums an und in den oberbayerischen Seen
ist besonders im diesjährigen Sommer zu einem öffentlichen
Skandal geworden. Es wird die Zeit nicht mehr fern sein,
wo ein anständiger Mensch dieselben meiden muß und nur
mehr eine gewisse Sorte von Liebhabern einer sogenannten
Nacktkultur ihr Wesen oder vielmehr ihr Unwesen dort
treiben wird. Es ist dies für den Fremdenverkehr nicht
gleichgültig; auch kann es einer hohen Regierung nicht
entgehen, daß dadurch unsere Seen in Verruf kommen.Vom
volkser-zieherischen Standpunkt aus dürfte ein
Eingreifen notwendig sein. An den
Badehütten der Villenbesitzer vorbei auf etwa drei Meter
Abstand rudert ein Herr, nur mit dem bekann-ten Dreieck
bekleidet. Iim Boote vor ihm liegt ein Weib ganz nackt.
Was sollen Kinder sagen, wenn sie es sehen. Und sie
konnten es sehen. Oder sechs Männer ohne das bekannte
Dreieck, also splitternackt, fahren auf dem See
spazieren, das volle Dampfschiff fährt vorüber, die
Herren lassen sich nicht stören, verschwinden nicht etwa
im Wasser, sondern stehen auf und winken nach dem
Dampfschiff hinüber. Pärchen in oft mehr als frag-lichem
Badekostüm fahren in Kähnen zum Baden und zu anderen
Zwecken; besonders die Leihsegelboote dienen als schwim-mende
Badekabinen für beide Geschlechter ohne Badekostüm-zwang.
Sogar in den Restaurationen sieht man Herren und Damen im
Badekostüm; an den verkehrsreich-sten Plätzen, an denen
man vorbei-gehen und -fahren muß, liegen Männer auf dem
Trockenen am Rücken in der Sonne, nur mit einer
minimalen Schwimmhose bekleidet. Es ist das für anständige
Damen und Mädchen ein geradezu ekelhafter An-blick und
wird der Aufenthalt und Verkehr an solchen Stellen
geradezu unmöglich.In Starnberg wurde ein Schutzmann in
ein Ruderboot gesetzt, um die Ordnung aufrecht zu
erhalten. Den Mann darf man bemitleiden; er kann sich zu
Tode rudern, wenn er so einen nackten Fahrer einholen
will. Gleichzeitig ist er der Spott für zehn andere, und
wenn er einen erwischt, kann er nichts mit ihm anfangen.
Fest zugreifen will man nicht, und sachte zugreifen, nützt
nichts. Jedenfalls erweist sich diese Maßregel als
unzweckmäßig. Daß es genügend Männlein und Weiblein
gibt, die an Schweinereien Gefallen finden, beweist der
außerordentlich häufige Besuch solch gemischter Bäder
im Vergleich mit den Bädern, in welche man nur des
Badens halber geht.Aus diesen Erwägungen möchte eine
hohe K.Regierung ersucht werden, die Zustände an den
bayerischen Seen und Flüssen besser überwachen zu
lassen, um öffentliches Ärgernis zu verhüten,
gemeinsames Baden beider Geschlechter "für gewöhnlich"
in offenen Bassins" nicht zu gestatten und, wo es
nicht verhindert werden kann, von den Badenden genügende
Bekleidung zu verlangen. (Auszug
aus dem Buch "Rund um den Ammersee" von Manfred
Hummel (Verlag J. Berg) mit freundlicher Genehmigung des
Herausgebers)
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